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Für die Denkbewegung

Der Prix Européen de l’Essai bringt Leserinnen und Lesern hochwertige Essays aus allen Disziplinen nahe. Er bezweckt, die Aufmerksamkeit auf Autorinnen und Autoren zu lenken, deren Werke ein Zeugnischarakter haben können und die eine fruchtbare Kritik an den heutigen Gesellschaften, ihren Praktiken und Ideologien bieten. Der Preis wird seit 1975 verliehen und ist der erste Literaturpreis, der ausschließlich der Gattung des Essays gewidmet ist.

Arundhati Roy erhält den Prix Européen de l’Essai 2023

Arundhati Roy - Photo by F. Mantovani

© F. Mantovani

Arundhati Roy erhält den 45. Prix Européen de l’Essai für ihr Lebenswerk anlässlich des Erscheinens der französischen Übersetzung ihrer neuesten Essaysammlung Azadi – Liberté, fascisme, fiction (Paris, Gallimard, 2021).

Die Jury des Prix Européen de l’Essai möchte ein Werk hervorheben, das in Bezug auf die Reflexion über die Konstruktion der Welt und das Verhältnis zur Sprache bereichernd ist. Arundhati Roy nutzt den Essay als Kampfform, indem sie den Faschismus und die Art und Weise, wie er sich strukturiert, analysiert. Diese Problematik nimmt immer mehr Raum ein. Ihre Essays bieten einer erheblichen Anzahl von Menschen Schutz. Indem die Jury ihre literarische Arbeit prämiert, würdigt sie auch das Engagement der Autorin in ihrer politischen Aktion.

«Wenn das Land brennt, werden sich die Rechtsextremen uns wieder als die Einzigen präsentieren, die in der Lage sind, einen Staat mit harter Hand zu führen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wird ein zutiefst polarisiertes Gemeinwesen in der Lage sein, diese Machenschaften zu durchschauen? Schwer zu sagen.
Vieles davon ist bereits seit mehreren Jahren Gegenstand meiner Arbeit, sowohl in meinem fiktionalen wie nichtfiktionalen Schreiben» (A. Roy, Azadi heißt Freiheit, Frankfurt am Main: Fischer, 2021, S. 88-89)


REPLAY—Feierliche Preisverleihung

—Lecture
Arundhati Roy
Laureate of the European Essay Prize 2023
—Laudatio
Jagoda Marinić
Writer and journalist
—Presentation Speech
Gesa Schneider
Member of the jury of the European Essay Prize

Introduction Speech
Antoine Gallimard
Director of Editions Gallimard

Welcome Speech
Cyril Veillon
President of the jury of the European Essay Prize and of the Charles Veillon Foundation

Photos
© Sylvain Chabloz
12. September 2023
Lausanne Palace

REPLAYEuropean Essay Prize 2023 Round Table

In partnership with the University of Lausanne (UNIL) und Theâtre de Vidy

Arundhati Roy discuss citizenship and identity, environment and globalization, caste and language. In conversation with Caroline Abu Sa’da, member of the jury of the European Essay Prize and Managing Director of SOS MÉDITERRANÉE Switzerland and Nicola Pozza, Section de langues et civilisations slaves et de l’Asie du Sud (SLAS), UNIL. Welcome by Vincent Baudriller, Director of the Théâtre Vidy-Lausanne and Cyril Veillon, President of the Charles Veillon Foundation.

Photos
© Pierre-Antoine Grisoni – Strates
11. September 2023
Théâtre de Vidy, Lausanne

«Wir wissen, was in Europa geschah, als eine Organisation mit einer ähnlichen Ideologie erst ein Land in seine Gewalt brachte und dann Lebensraum suchte. Wir wissen, dass dies geschah, weil der Rest der Welt den frühen Warnungen derer, die genug gesehen und gehört hatten, um zu wissen, was kommen würde, keinerlei Beachtung schenkte. Vielleicht klangen diese Warnungen für eine männliche, angelsächsische Welt, die misstrauisch gegenüber jeglicher offenen Zurschaustellung von Leid oder Emotionen ist, nicht ausgewogen und gemäßigt genug» (A. Roy, Azadi heißt Freiheit, Frankfurt am Main: Fischer, 2021, S. 126-127)

Azadi heißt »Freiheit« auf Urdu. Das Wort, das ursprünglich ein kaschmirischer Schlachtruf gegen die indische Regierung war, wird vom indischen Volk aufgegriffen, um gegen seine Führer zu protestieren. Mit lebhaftem und subtilem Scharfsinn fordert Arundhati Roy uns heraus, über die Bedeutung der Freiheit in einer Welt nachzudenken, in der der Autoritarismus immer mehr zunimmt. Ihre Essays laden den Leser ein, unsere Welt schonungslos zu hinterfragen, und kritisieren im Namen der Freiheit die Gesellschaften im Osten wie Westen, die nationalistischen Ansprüchen immer mehr Halt bieten. In diesen weltweit unruhigen Zeiten erforscht Arundhati Roy in ihren Texten die Bedeutung der Sprache, erinnert an die Rolle der Fiktion und der Phantasie, damit die globale Krise zu einer Gelegenheit für die Menschheit werden kann, eine andere Welt zu erfinden. Ein kompromissloser Blick, der gleichzeitig ein Ferment der Hoffnung ist!

Couverture Azadi
«Das Ende der Phantasie war der erste der nichtfiktionalen Texte, die innerhalb von 20 Jahren erscheinen sollten. Es waren Jahre, in denen sich Indien blitzschnell veränderte. Für jeden Essay suchte ich nach einer Form, nach Sprache, nach Struktur und Erzählung. Konnte ich so packend über Bewässerung schreiben wie über Liebe und Verlust und Kindheit? Über die Versalzung des Bodens? Über Entwässerung? Staudämme? Ernten? Über Strukturanpassung und Privatisierung? Über Stromkosten? Über Dinge, die das Leben einfacher Menschen beeinflussen? Nicht als Reportage, sondern als eine Form des Geschichtenerzählens? War es möglich, diese Themen in Literatur zu verwandeln?
Literatur für alle – auch für Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, die mir aber beigebracht hatten, wie man denkt, und denen man vorlesen konnte?»

Arundhati Roy

Arundhati Roy lebt in Neu-Delhi. Ihr Debütroman Der Gott der kleinen Dinge wurde 1997 mit dem Booker Prize ausgezeichnet und weltweit als literarisches Ereignis gefeiert. Neben ihrem politischen und humanitären Engagement ist sie weiterhin literarisch tätig, unter anderem mit ihrem zweiten Roman Das Ministerium des äußersten Glücks, für den sie 2017 den Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch erhielt, und mit der Essaysammlung Mein aufrührerisches Herz (2019).

Weitere Informationen: Pressemitteilung